
Mehr als 200 Besucherinnen und Besucher kamen am 18. September 2024 in die Halle auf der Schray zum Informationsabend der AWO Demenz-Allianz Marbach – Bottwartal. Mit so vielen Interessierten hatte der Veranstalter nicht gerechnet. Unter tatkräftiger Mithilfe des Erdmannhäuser Bürgermeister Markus Kohler und anderen Helfern mussten deshalb spontan weitere Stühle herbeigeschafft werden, bis alle Anwesenden einen Sitzplatz hatten. Die Autorin und Psychologin Dr. Sarah Straub hielt ihren Vortrag zu aktuellen Ergebnissen der Demenz-Forschung und präsentierte ausgesuchte Lieder aus ihrer letzten CD „Keine Angst“. Seit Jahren wirbt die Demenz-Expertin mit ihren Liedern, Büchern und Vortragsveranstaltungen um eine größere Aufmerksamkeit und mehr Verständnis für demenziell Erkrankte und deren pflegende Angehörige. Außerdem hat sie seit Juni 2022 die Schirmherrschaft der AWO Demenz-Allianz Marbach – Bottwartal für die acht Kommunen Affalterbach, Benningen, Erdmannhausen, Großbottwar, Marbach, Murr, Oberstenfeld und Steinheim übernommen.
„Es braucht Mut, sich mit diesem Thema zu beschäftigen, wir müssen uns mit demenziellen Erkrankungen auseinandersetzten“, davon ist die Medizinerin überzeugt. Denn degenerative Erkrankungen des Gehirns werden allein aufgrund der Altersstruktur in Deutschland erheblich zunehmen. Gleichzeitig zeichnet sich ab, dass bis zum Jahr 2030 rund 500.000 Pflegekräfte fehlen werden. Mit Medikamenten könne man die verschiedenen Formen der Demenz nur aufhalten, eine Heilung gebe es noch nicht, so die Forscherin.
Dr. Sarah Straub berichtete über medizinische Forschungsergebnisse und persönliche Erfahrungen
Dr. Sarah Straub kennt aus eigener Erfahrung die vielen Herausforderungen, die eine demenzielle Erkrankung in der Familie mit sich bringt. Ihre Großmutter, wie auch ihr Schwiegervater, waren daran erkrankt. Sie studierte Psychologie, promovierte über Demenzerkrankungen und arbeitet heute in der Forschungsabteilung des Universitätsklinikums Ulm. „Es braucht viel Kraft, sich dieser Situation zu stellen und tagtäglich damit umzugehen“, berichtete sie. In ihrem Vortrag setzte sie nicht nur auf nüchterne Fakten, sondern holte die Besucherinnen und Besucher auf der emotionalen Schiene ab: Mit ihren eigenen Liedern, oder dem Stück „Dieses schrecklich schöne Leben“ von Konstantin Wecker, berührte sie viele der Anwesenden und sprach ihnen aus der Seele. Dazu bot sie einen Überblick über die verschiedenen Formen der Demenz, die in unterschiedlichen Altersstufen auftreten kann und der eine krankhafte Veränderung der Proteinstrukturen im Gehirn zugrunde liegt. Rund 50 Arten der Demenz sind inzwischen bekannt, am häufigsten ist Alzheimer mit rund 70 Prozent der Erkrankungen. Rund 15 Prozent der Patienten und Patientinnen erkranken an einer so genannten frontotemporalen Demenz (FTD), die mit Persönlichkeitsveränderungen einhergeht und deshalb besondere Herausforderungen an das Umfeld stellt. „Holen Sie sich Hilfe, informieren Sie sich, tauschen Sie sich aus“, appellierte sie an das Publikum. „Es ist nicht alles schwer, es gibt auch schöne Momente.“ Betroffene sollten unbedingt auf einer ausführlichen Diagnostik bestehen: Eine weitere Form der Demenz, die vaskuläre Demenz, könne mit Veränderungen im Lebensstil günstig beeinflusst werden, da hier Veränderungen im Gefäßsystem ursächlich seien. „Unser Gehirn ist ein Wunder“, sagte die Medizinerin, es gebe für jede Form der Demenz vielversprechende Therapieansätze, die das Leben der Erkrankten verbessern. „Ergo-, Physio oder Musiktherapie sind hilfreich – und generell sollte man einfach geistig rege bleiben“, so lautete eine der vielen Empfehlungen von Sarah Straub. Zwischen trockenen medizinischen Fakten streute sie immer wieder persönliche Erlebnisse ein, etwa die überraschende Erkenntnis, dass ihr Schwiegervater im fortgeschrittenen Stadium der Erkrankung beim Rasenmähen Ruhe und Entspannung finden konnte. „Man muss neu definieren, was ein gutes Leben ist und auf die Betroffenen eingehen“, empfahl sie, „dann gibt es auch schöne Momente – auch wenn man manchmal denkt, man habe keine Kraft mehr.“










Unterstützung für Angehörige
Eine Demenz verändert den Menschen. Seinen Angehörigen in dieser schwierigen Situation Unterstützung, Rat und Tat, aber auch einfach mal ein offenes Ohr zukommen zu lassen, ist das Ziel der Demenz-Allianz Marbach – Bottwartal, das betonte Hans-Jürgen Stritter, Vorstand des AWO Ortsvereines Marbach – Bottwartal e.V. Zusammen mit seiner Frau Inés rief er vor über zwei Jahren die Demenz-Allianz Marbach – Bottwartal ins Leben und richtet Veranstaltungen aus, die sich an den speziellen Bedürfnissen der Erkrankten orientieren, darunter auch regelmäßige Gesprächskreise, bei denen sich Betroffene in einem geschützten Rahmen austauschen können. In seinen einleitenden Worten dankte er Dr. Sarah Straub, den ärztlichen Unterstützern Dr. med. Manfred Frenzel (Oberstenfeld), Dr. med. Falk von Zitzewitz (Erdmannhausen), Dr. Daniel Kopf (Klinik Bietigheim-Bissingen), Bürgermeister Markus Kohler für die hervorragende Unterstützung durch die Kommune und Andrea von Smercek, die in Marbach für das Projekt „Demenzfreundliche Stadt“ verantwortlich ist sowie den im Bottwartal überregional aktiven Ausstellern, die im Foyer über ihre Pflege-, Physio- und Demenzgruppen informierten.
Spende der Volksbank Backnang für Veeh-Harfen
„Erkrankte haben ein Recht auf Teilhabe, sie sollen auch weiterhin in unserer Mitte leben, ohne falsche Scham“ fordert Dr. Sarah Straub. Die Demenz-Allianz Marbach – Bottwartal unterstützt dieses Anliegen nicht nur mit Veranstaltungen, wie diesem Vortrags- und Informationsabend, sondern insbesondere durch die mittwochs und donnerstags einmal im Monat stattfindenden Gesprächskreise für Angehörige demenziell Erkrankter. Diplom-Musikpädagogin Melanie Bogisch bietet regelmäßige Kurse und Schnupperstunden an der Veeh-Harfe® für demenziell Erkrankte und deren Begleitperson an. Die Veeh-Harfe® kann mittels Schablonen ohne Notenkenntnisse gespielt werden, demenziell Erkrankte können leicht und einfach mit diesem Instrument musizieren. Die Volksbank Backnang, an diesem Abend vertreten durch den Vorstandsvorsitzenden Jürgen Schwab überreichte dazu einen Spendenscheck über 1.500 Euro. Der ehemalige Vorstandsvorsitzenden Werner Schmidgall bekundete großes Interesse an der Demenz-Allianz Marbach – Bottwartal, da er bisher keine ehrenamtlich aktive Gruppierung zum Thema Demenz in Backnang und dem angrenzenden Umland ausfindig machen konnte. „Danke, Danke, Danke, damit können wir ein Instrument als VoBa Backnang Spendengeschenk bezeichnen“, freute sich Hans-Jürgen Stritter bei der Übergabe des Spendenschecks. Denn, das wurde an diesem Abend deutlich, Demenz und der gesellschaftliche Umgang mit der Erkrankung, das weiter auszubauende Demenz-Netzwerk beziehungsweise die zur Verfügung stehenden Hilfsangeboten, wird ein immer wichtigeres Thema für sehr, sehr viele Familien von uns.
















